Projekte

Diese Rubrik erzählt von Projekten, die historische Themen vermitteln und erlebbar machen.

Die Kraft von Geschichten ergibt sich aus der passenden medialen Form für ein Thema. Im Kulturbereich spricht man dafür von "Formaten" wie z.B. Ausstellungen, Veranstaltungen, Printprodukten, Videos oder digitalen Angeboten (-> Werkstatt). Die hier präsentierten Formate habe ich für verschiedene Arbeitgeber kuratiert und begleitet. In der knappen Projektdarstellung ist insbesondere das Verhältnis von Thema und Format hervorgehoben.

Neue Bilder für neue Vorhaben

Bilder sagen mehr als tausend Worte. Auch über neue Bauvorhaben.

Beispiel:
Um über die Pläne für ein neues Depot für die Museen der Stadt Erfurt öffentlich zu informieren, hat der Motion Artist Dirk Rauscher eine Videoanimation geschaffen. Er hat Objekte in den Depots der Erfurter Museen fotografiert und gefilmt, sie für die digitale Bildbearbeitung erfasst. Rauschers Animationen zeigen diese Objekte nun in Bewegung. Farbenspiele, neue Formationen, Pulverationen - die digitale Bildbearbeitung macht es möglich. Gezeigt wurden die digitalen Animationen auf einem Parcous in der Defensionskaserne auf dem Petersberg in Erfurt (3.-17.9.2023).

Weil es alle angeht

Kein Medium ist so raumgreifend wie der Klang. Ausstellungsmacher wissen dies genau: denn Klang "kriecht" und ist in Ausstellungen, sofern er nicht stören soll, sorgfältig abzuschirmen. Doch genau dieser Umstand macht Klang auch gezielt nutzbar: Er nimmt Räume großflächig in Beschlag, schafft Öffentlichkeit und führt Menschen schwellenarm zusammen.


Beispiel:
Der Absprung, 20-Kanal-Audio-Installation, Schloss- und Kulturbetrieb Altenburg/WDR 2018, Text und Regie: Paul Plamper; hr2-Hörbuchbestenliste Mai 2019, Finalist beim Hörspielpreis der Kriegsblinden

Mit Witz

Man muss nicht gleich bis in die klassische Dramentheorie zurückgreifen, um nicht auch intuitiv zu wissen: mit Humor lernt sich leichter! Wissenserwerb ist nicht notwendig ein tragisch ernstes Geschäft, sondern kann wunderbar komisch sein. Er gelingt spielerisch und unterhaltsam häufig besonders gut.

Beispiel:
Comic zur Vermittlung des Bildprogramms in der herzoglichen Bibliothek des Residenzschlosses Altenburg, Schloss- und Kulturbetrieb Altenburg 2017; Konzept, Fotografie und Layout: Andrea Flemming; Illustration: Nadia Budde

Zeitzeugen hören

Berichte von Zeitzeugen sind authentisch und packend. Häufig sind sie ohne aufwendige Inszenierung und mit relativ überschauberen finanziellen Ressourcen möglich, zum Beispiel durch ein Publikumsgespräch. Nicht für alle historischen Themen greift aber das Zeitzeugen-Format: Je länger ein Ereignis zurückliegt, desto mehr Zeitzeugen versterben. Auch deshalb gilt es diese Formate rechtzeitig zu nutzen und nach Möglichkeit für die Nachwelt zu dokumentieren.

Beispiel:
Publikumsgespräch zu "RAF - Bader Meinhof Komplex" (Spielfilm) mit dem Autor und Zeitzeugen Stefan Aust, Moderation: Russel Smith; Goethe-Institut Toronto 2010

Schau mal!

Gekommen um zu schauen: Panoramen und Dioramen sind publikumsstarke Ausstellungsformate. Die Modelleisenbahnwelten in Hamburg oder die Panoramen des Yadegar Asisi ziehen das Publikum in großer Zahl an. Mit Kreativität lassen sich grundsätzlich überall dort Schaulandschaften zaubern, wo genügend Raum zur Verfügung steht.

Beispiel:
Playmobil-Winterzauber im Residenzschloss Altenburg - Sammlung Oliver Schaffer; Altenburg 2019; Konzept und Realisation: Oliver Schaffer

Keep it cozy

Gemütlich daheim, im Café oder vielleicht auf dem Reiseweg im Zug: Es ist schön, in Ruhe über Geschichte und Kultur in Büchern und Zeitschriften zu lesen. Nicht immer müssen wir uns dazu durch Textwüsten graben. Die Publikationen können mit Bildmaterial, Informationsgrafiken, Ankedoten und Interviews auch zur kurzweiligen Lektüre einladen. Die Engländer nennen das "Coffeetable-Book". Wir Deutschen haben dafür kein eigenes Wort, tun es aber trotzdem: Kaffeetischbücher machen.

Beispiel:
HUNDERT, 4 Magazin-Ausgaben zum 100 Jahr-Jubiläum der Deutschen Nationalbibliothek, 2012, hg. v. der Deutschen Nationalbibliothek, Konzeption/Redaktion/Gestaltung: Agentur Schwarzburg.

Gemeinsam tun

Teilhabe und Partizipation sind Buzz-Words der Kulturarbeit. Doch im Grunde ist nichts selbstverständlicher, als gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Für Einrichtungen der Erinnerungskultur bieten partizipative Projekte vielfältige Möglichkeiten, neue Zielgruppen zu erreichen. Doch Achtung: Partizipation darf kein Feigenblatt sein, um bloß kulturpolitisch das Richtige zu tun. Menschen und die potenziellen Teilnehmer_innen der Projekte spüren sehr genau, wenn das Angebot der Teilhabe nicht auch wirklich lebbar ist.

Beispiel:
Der Neue Mensch - Ein Fest|Salon, Other Music Academy (Weimar) in Kooperation mit dem Schloss- und Kulturbetrieb Altenburg, Altenburg 2019.

Schön kompakt

Wenn in komplexe Sachverhalte, zum Beispiel beim Betreten einer Ausstellung, einzuführen ist, bieten Video-Trailer dafür eine hervorragende Möglichkeit. Sie können Zusammenhänge kompakt und eingängig präsentieren. Was für Besucher_innen dann  wohlportioniert daherkommt, ist hinter den Kulissen aufwendig: Recherchieren, Informationen priorisieren, Dramaturgie entwickeln, Drehbuch schreiben, produzieren. Doch die Anstrengungen lohnen sich.

Beispiel:
Videotrailer, Herzogliche Gemächer 19./20. Jahrhundert, Residenzschloss Altenburg 2017; Produktion: Mike Langer/TV Altenburg; Regie: Manuel Kressin, Texte: Christian Horn/Manuel Kressin; hier: Studioaufnahme mit Manuel Kressin als Herzog Ernst. I von Sachsen-Altenburg

Du rockst das!

Vertrauen, Vertrauen, Vertrauen! Viele Menschen sind mutig –  wenn man sie lässt. Die Herstellung eines geschützten Rahmens (saver space), in welchem Menschen ihre Kreativität wachsen lassen können, bringt verblüffende Ergebnisse hervor. Das im Kulturbetrieb populäre Schlagwort Befähigung (empowerment) steht hierfür. Diese Konzepte benötigen Ausdauer, sollten der Philosophie der kleinen Schritte folgen und können mit geringem Ressourceneinsatz große Wirkung bei Teilnehmer_innen und Publikum entfalten.

Beispiel:
Haircuts by Children, Festival Stadtmensch 2018, Altenburg/Thür., Produktion: Mammaliam Diving Reflex (Toronto)

Echt jetzt?

Das (Verwirr-)Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit ist seit jeher bei Publikum und Künstler_innen gleichermaßen beliebt. Kuratorisch hat es durch Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) in jüngerer Zeit weitere Gestaltungsmöglichkeiten erhalten. Sind Bildsequenzen, die wir sehen, inszeniert oder dokumentarisch? Ist ein Zitat echt oder erfunden? Ist ein Ausstellungsstück ein Original oder eine Kopie? Schon befinden wir uns im Strudel der Frage, wo die Wirklichkeit anfängt und die Fiktion aufhört (oder war es umgekehrt?).

Beispiel: 
Video-Performance, Eröffnung des Ausstellungsbereiches "Herzogliche Gemächer 19./20. Jahrhundert", Residenzschloss Altenburg 2017, Buch/Regie/Produktion: Mike Langer/TV Altenburg.

Selber spielen

Das Nachspielen historischer Ereignisse (reenactment) zieht viele Menschen in den Bann. Dieses nicht nur als Mitspieler_innen, sondern auch als Zuschauer_innen. Die künstlerische Ausgestaltung der Wiederaufführung historischer Ereignisse ist durch die erzeugten Bilder auch medial besonders wirksam. Es muss dabei ja nicht immer gleich die Nachstellung der Völkerschlaft von 1813 sein. Auch Live Action Role Playing in kleineren Gruppen oder die individuellen Kostümierungen des Cosplay zählen zum Reenactment.

Beispiel:
Reenactment des Initationsrituals der ehemaligen Altenburger Kunsthütte. Autor: Christian Weber, Produktion: Altenburger Mitspielerakademie/Schloss- und Kulturbetrieb Altenburg, 2018.

Visuell begreifen

Viel zu häufig vergessen wir die Vorzüge visueller Kommunikation zur Veranschaulichung komplexer geschichtlicher Zusammenhänge. Zu Unrecht wird Kommunikationsdesign häufig dem Handlungsfeld von Werbung und Lifestyle zugeschlagen, für wissenschaftliche Darstellungen aber nicht genutzt. Recherche- und Investigativabteilungen einflussreicher Medien, darunter die New York Times, haben inzwischen die Vorteile von Schaugrafiken erkannt. In Einrichtungen der Erinnerungskultur sind weiterhin häufig klassische Texttafeln anzutreffen, deren Inhalte sich aber ebenso zur Gestaltung von Schaugrafiken eignen.

Beispiel:
100 Jahre Deutsche Nationalbibliothek, Darstellung der Geschichte 1914-2014, 20 Meter, Redaktion: Christian Horn, Grafik: Agentur Schwarzburg.

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Scheitern als Chance

Das von Christoph Schlingensief gemünzte Credo ist eine Büchse der Pandora zur Entwicklung spannender Geschichten. Sind es nicht Überforderungen, Fehlschläge und Hindernisse, welche die Bedingtheiten von Kultur aufzeigen? Zugleich streben Kultur- und Erinnerungseinrichtungen danach, sich im besten Licht zu präsentieren. Ängste stehen im Raum, sich auf eigene institutionelle Defizite zu befragen und nach deren Folgen für Erinnerungskultur zu suchen. Dabei liegen Fragen auf der Hand: Kann eine Nationalbibliothek wirklich alle Literatur eines Landes sammeln? Kann ein Museum wirklich alle Sammlungsbestandteile angemessen erfassen und konservieren? Auch Kultureinrichtungen scheitern mit ihren Ansprüchen täglich.

Beispiel:
Intrige im Goldsaal. Eine Sammlung schlägt zurück. Ausstellung, Residenzschloss Altenburg 2018; Projektleitung: Florian Voß; Szenografie: Lotte Boonstra; Hörtexte: Cindy Hiller; Graffiti: Ralf Hecht, Susann Seifert.

Digital sind wir mehr!

Sozial Medien bieten auch für die Erinnerungskultur atemberaubende neue Möglichkeiten. Geschichten lassen sich unabhängig von einem physisch realen Ort entwickeln und präsentieren. Weltweit sind die Ergebnisse abrufbar. Häufig haben diese Maßnahmen Kampagnen-Charakter. Über Instagram, Facebook, TikTok und Twitter werden sie angeschoben.

Beispiel:
Wir sind ein Jahrgang! Literarische und musikalische Werke, die im Jahr der Geburt ihrer Leser oder Hörer erschienen sind, werden durch diese online präsentiert. Eine Kampagne der Deutschen Nationalbibliothek, 2014.

Guerilla

Im Bereich der Erinnerungskultur bilden sie immer noch eine Ausnahme, im Marketingportfolio vieler Unternehmen sind sie aber längst etabliert: Guerilla-Geschichten. Mit häufig kleinen Budgets und geringen Aufwänden werden ästhetische Brüche provoziert. Irritationen sorgen für Dialog und lassen somit Geschichten (über ein Produkt) entstehen. 

Beispiel:
Die Liebe in Zeiten der Corona. Ein Erinnerungscomic mit Herzog Joseph und seiner Familie; Konzept und Textmontage auf Basis einer Social Media-Kampagne: Alexander Fischer/Christian Horn; Illustration: Gina Luisa Kühn, Dollerup 2020.

Fakten, Fakten, Fakten

Wenn nüchtern, dann zumindest maximal effizient. In einer Zeit zunehmender informatorischer Unübersichtlichkeiten, sind Medienkompetenz und Wissenslotsen wichtiger denn je. Nachschlagewerke und Glossare sind unerlässlich. Übrigens: Auch historisch betrachtet, sind Lexika mit der Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit und sich emanzipierenden Bevölkgerungsgruppen ab dem 18. Jahrhunder eng verknüpft. Die neue Popularität von Nachschlagewerken, zum Beispiel der Wikipedia, im heutigen Internetzeitalter, das erneut neue Öffentlichkeiten hervorbringt, bildet so gesehen eine historische Widerholung.

Beispiel:
Brockhaus Enyzklopädie in 30 Bänden, 21. Auflage, Mannheim 2005. 

Ungleiche Geschwister

Tanz und Erinnerung beschreiben ein schwieriges Verhältnis. Wir wissen von uns selber, dass das Körpergedächtnis enorm ist: eine einmal erlernte Bewegung vergessen wir längst nicht so schnell wie zum Beispiel Worte oder Zahlen. Doch wie dokumentieren wir Bewegungen für die Ewigkeit? Worte und Zahlen schreiben wir ab oder kopieren sie in atemberaubender Geschwindigkeit digital. Mit Bewegungen unseres menschlichen Körpers ist das nicht möglich. Sie lassen sich immer nur unzulänglich archivieren und reproduzieren. Selbst modernste Medien schaffen hier keine Abhilfe. Mit dem Medium Tanz in Einrichtungen der Erinnerungskultur zu arbeiten, ist daher immer eine ganz besondere Challenge.


Beispiel:
Tanz in den Häusern der Stadt, in Kooperation der Deutschen Nationalbibliothek und des Leipziger Ballett, 2014, Projektleitung: Mario Schröder.